Gendern und andere Unnötigkeiten

Sprache dient den Menschen, sich zu verständigen. Sprache lebt. Sprache ist aber auch ein scharfes Schwert, mit dem ich andere Menschen verletzen kann. Liegt dies in meiner Absicht, kann ich bestimmte Wörter gebrauchen, die meine Gesinnung ausdrücken. Solche Wörter sind Neger, Zigeuner, Weiber oder, weniger bekannt, Eskimo. Gilt auch der Umkehrschluss? Möchte jemand der eines dieser Wörter benutzt, bewusst verletzen? Nicht per se. Es kommt auf die Gesinnung an. Ich kann zu einem schwarzen Menschen liebe- und respektvoll Neger sagen. Auf der anderen Seite kann ich in die politisch korrekte Bezeichnung Schwarzer totale Verachtung gegenüber diesen Menschen zum Ausdruck bringen. Wörter sind neutral. Genau wie ein Messer zum Brotschneiden oder zum Töten verwendet werden kann.  Wir Menschen geben den Wörtern erst einen Sinn. Durch die Stimme, die Betonung, begleitende Mimik. Der Sinn, den der Sender seinen Wörtern gibt, kann vom Empfänger missverstanden werden. Bewusst oder aufgrund eines anderen Erfahrungshorizontes. Genauso steht es mit dem Gendern. Nachrichtensprecher und Moderatoren brechen sich die Zunge ab, um das *Innen rauszubringen. Die dazugehörige Kunstpause wird als Gendergap bezeichnet. Ist eine aufgezwungene Sprache tatsächlich das geeignete Mittel, um Frauen oder ethnischen Gruppen die Gleichberechtigung zu bringen? Der Chefredakteur der Welt hat dazu eine klare Meinung. „Nur freie Sprache ist schön.“ Und „Sprache sollte nicht zum Zuchtmeister ihrer Nutzer werden.“

Doch was steckt hinter dem Gendern oder der Ächtung bestimmter Vokabeln? Dadurch soll uns bewusstwerden, dass wir im Alltag durch Sprache diskriminieren. Also eine positive Absicht. Welche Formen der Diskriminierung gibt es? Da ist zunächst der Rassismus zu nennen. Also die Diskriminierung aufgrund der vermeintlichen Abstammung. Es gibt den Lookismus. Das ist die Ausgrenzung aufgrund des Aussehens. Weit verbreitet auch der Klassismus. Das ist eine Ausgrenzung aufgrund der sozialen Position eines Menschen. Und – die Diskriminierung von Frauen. Die Genderdebatte soll also sensibilisieren für das Thema Ausgrenzung.

Kann das funktionieren? Sicherlich. Die Menschen denken über das Thema nach. Unabhängig davon, ob sie gendern oder sprachliche Tabus gutheißen oder nicht. Unabhängig davon, ob sie auf der Welle mitschwimmen oder nicht.

Für mich kann der „sprachliche Zwang“ nur ein Zwischenschritt sein. Ich wünsche mir, dass Frauen ein wirkliches Selbstbewusstsein entwickeln. Dass sie sich beim generischen Maskulinum vollkommen selbstverständlich mit angesprochen fühlen. Ich wünsche mir, dass ein Schwarzer in einer Mohrenapotheke einkaufen kann, ohne sich ausgegrenzt zu fühlen. Ich wünsche mir, dass sozial schwache Menschen erhobenen Hauptes zur Tafel gehen und – irgendwann einmal nicht mehr hingehen müssen.

Das bringt mich zu den beiden Schlüsselfragen. Wieviel darf ich in einer freien pluralistischen Gesellschaft den anderen zumuten? Und wieviel muss ich in einer freien pluralistischen Gesellschaft ertragen können?

© Frank Meinert